Überfluss | 2021 | Folie | Atelierhaus Aachen e.V.

Überfluss | 2021 | Folie | Atelierhaus Aachen e.V.

Überfluss | 2021 | Folie | Atelierhaus Aachen e.V.

Überfluss | 2021 | Folie | Atelierhaus Aachen e.V.

Überfluss | 2021 | Folie | Atelierhaus Aachen e.V.

Überfluss | 2021 | Folie | Atelierhaus Aachen e.V.

„ÜBERFLUSS“, 2021

Atelierhaus Aachen

 

Stehen Sie noch sicher – oder schweben Sie schon? Ein Meer aus blauen Rechtecken fließt und wabert durch den Ausstellungsraum. Es wölbt sich auf und senkt sich wieder ab, lässt uns schwanken und straucheln; vorsichtig tasten wir uns auf dem Auf und Ab des Motivs voran. Der Schritt bleibt unsicher, wir suchen nach Halt auf der scheinbar über dem Boden schwebenden Musterfläche.

Achim Zeman erschafft mit rechteckigen Klebefolien eine völlig neue Raumwahrnehmung. Auf Basis eines blauen Rechtecks unterschiedlicher Größe, das er staucht und dehnt, entwickelt er eine membranartige Fläche, die über dem Boden zu schweben scheint. Die unterschiedlichen virtuellen Krümmungen der Rechtecke ergeben in der Gesamtwirkung eine Fläche, die sich aufwölbt und vertieft.

Jedes einzelne der insgesamt 4.000 Teile hebt sich durch den schwarzen Schlagschatten, den es zu werfen scheint, vom Boden ab. Die Schatten sind auf der von der Fensterfront abgewandten Seite positioniert, wodurch der Effekt eines scheinbaren Lichteinfalls und des dazugehörigen Schattenwurfs verstärkt wird.

Typisch für die Werke Achim Zemans ist das Überziehen von Böden, Wänden oder Decken mit einer farbigen „zweiten Haut“, die die gesamte Ebene rhythmisiert. Er schafft es, mit einer flächigen Gestaltung eine räumliche Wirkung zu erzielen und den Raum mit seinen Installationen zu füllen. Dabei nutzt er ausschließlich die Mittel der Malerei: Farbe und zweidimensionale Formen. Und doch wird der Betrachter sogartig in den Raum hineingezogen und „vergisst“, dass er sich auf ebenem Boden befindet. Das fließende Auf und Ab spiegelt sich auch im Titel wider: Der Überfluss suggeriert ein Überfluten des Raumes und ein überquellendes Strömen der Farbe.

Wie bei den meisten seiner Arbeiten bezieht Achim Zeman sich auf den gestalteten Raum: Hier greift er bei der Wahl der rechteckigen Grundform der einzelnen Module formale Aspekte auf, indem er sich an der Form der Parkettstäbe orientiert.

Der Künstler wird gerne der Op Art zugeordnet, doch greift es zu kurz, seine Werke auf die Darstellung optischer Täuschungen zu reduzieren. Hier ist der Betrachter kaum in der Lage, das gesamte Werk – so wie bei einem Bild an der Wand – zu überblicken. Vielmehr machen Zemans Installationen den Betrachter zum Bestandteil des Werkes: Während man über den Boden läuft, erweitert und verändert sich der Raum ständig. Dabei wird nicht nur die visuelle Wahrnehmung infrage gestellt, sondern unser Raumempfinden verändert sich. Hier wird körperlich spürbar, wie die Orientierung im Raum aus der Balance gebracht wird. Das Werk verursacht körperliche Verunsicherung, es irritiert unseren Gleichgewichtssinn. Darüber hinaus mag die räumliche Erfahrung zu einer seelischen werden. Vormals gültige Gewissheiten geraten ins Wanken, Grenzen verschwimmen, ein Nachdenken über die eigene (auch innere) Verortung in der Welt wird in Gang gesetzt.

Dieses körperliche wie geistige Kunsterlebnis funktioniert ausschließlich vor Ort und inmitten des Kunstwerks, nur hier taucht der Besucher in das Werk ein. Achim Zemans Kunst muss man am eigenen Leib erfahren und erleben, keine Abbildung ist in der Lage, diese Wahrnehmungserfahrung zu transportieren. Genießen Sie es!



Alexandra Simon-Tönges, Kunsthistorikerin

 

 

Alle Fotos von Peter Hinschläger, Aachen

"OVERFLOW", 2021

Atelierhaus Aachen

 

Are you still standing firm - or are you already floating? A sea of blue rectangles flows and billows through the exhibition space. It arches up and sinks down again, making us sway and stumble; we feel our way carefully along the ups and downs of the motif. The step remains unsteady, we search for a foothold on the patterned surface that appears to float above the floor.

Achim Zeman creates a completely new spatial perception with rectangular adhesive foils. Based on a blue rectangle of different sizes, which he compresses and stretches, he develops a membrane-like surface that seems to float above the floor. The different virtual curvatures of the rectangles produce an overall effect of a surface that bulges and deepens.

Each of the 4,000 pieces stands out from the floor due to the black cast shadow it appears to cast. The shadows are positioned on the side facing away from the window front, which enhances the effect of an apparent incidence of light and the associated shadow cast.

Typical of Achim Zeman’s works is the covering of floors, walls or ceilings with a coloured “second skin” that rhythmises the entire plane. He manages to achieve a spatial effect with a two-dimensional design and to fill the space with his installations. In doing so, he exclusively uses the means of painting: colour and two-dimensional forms. And yet the viewer is drawn into the space and “forgets” that he is on level ground. The flowing up and down is also reflected in the title: the overflow suggests a flooding of the space and an overflowing flow of colour.

As in most of his works, Achim Zeman refers to the designed space: here he picks up on formal aspects in the choice of the rectangular basic shape of the individual modules by orienting himself to the shape of the parquet strips.

The artist is often associated with Op Art, but it is not enough to reduce his works to the representation of optical illusions. Here, the viewer is hardly in a position to survey the entire work - as with a painting on the wall. Instead, Zeman’s installations make the viewer part of the work: as one walks across the floor, the space constantly expands and changes. Not only is visual perception challenged, but our perception of space changes. Here, one can physically feel how one's orientation in space is thrown off balance. The work causes physical uncertainty, it irritates our sense of balance. Moreover, the spatial experience may become a mental one. Previously valid certainties are shaken, boundaries become blurred, a reflection on one's own (also inner) location in the world is set in motion.

This physical as well as mental experience of art functions exclusively on site and in the midst of the work of art, only here does the visitor immerse himself in the work. Achim Zeman’s art has to be experienced and witnessed in one's own body; no illustration is able to convey this perceptual experience. Enjoy it!



Alexandra Simon-Tönges, Art Historian

 

 

All photographs by Peter Hinschläger, Aachen